«Eine Dialoggruppe Twanntunnel muss her»

Meint Beat Kuhn in seinem Wochenkommentar im Bieler Tagblatt vom 11.10.2021

Twann-Tüscherz ist gespalten, wie man von Einheimischen hört.

Es verläuft ein tiefer Graben durch die Gemeinde: Die einen hätten den Twanntunnel lieber heute als morgen, die anderen wollen lieber eine regionale Lösung. Beide Seiten haben eine Organisation, die für ihr Ziel kämpft: Die Pro-Tunnel-Seite hat die «Interessengemeinschaft (IG) Twann kann!», die Gegenseite das Komitee «N5 – Bielersee so nicht!». Dieses hat der Gemeinde letzte Woche 240 Unterschriften für eine Initiative überreicht, was 30 Prozent der Stimmberechtigten entspricht. Und noch bis zum 9. Dezember können weitere Unterschriften eingereicht werden.Dass ein Graben durch die Gemeinde verläuft, ist sich die Bevölkerung  von Twann und Tüscherz-Alfermée, die auf Anfang 2010 miteinander  fusioniert haben, sarkastisch gesagt ja gewöhnt. Denn wie Ligerz und La  Neuveville werden diese beiden Dörfer von der Eisenbahnlinie und der  Nationalstrasse N5 – die manchmal auch Autobahn A5 genannt wird –  zerschnitten. Sowohl der Bahn- als auch der Strassenverkehr rauscht  mitten durch sie hindurch – was ihre idyllische Lage und ihr pittoreskes  Erscheinungsbild empfindlich beeinträchtigt. Bei jenen, die direkt an  der Bahnlinie leben, sind die Lärmimmissionen so gross, dass man meint,  die Züge würden mitten durch die Wohnung fahren. Und die Anwohner an der  Hauptstrasse leiden unter dem motorisierten Verkehr.Dass die Bevölkerung in den Gemeinden am linken Bielerseeufer einmal  durch eine solche Wucht von Immissionen geplagt werden würde, haben sich  die seinerzeitigen Verkehrsplaner und Politiker sicher nicht  vorstellen können. Denn sonst hätten sie bestimmt nicht auf dem schmalen  Korridor zwischen See und Jurahang neben einer Eisenbahnlinie von  nationaler Bedeutung auch noch eine Autobahn gebaut, und erst noch  mitten durch bestehende Dörfer. Es ist denn auch kaum vorstellbar, dass  solche Verhältnisse in der Schweiz noch ein zweites Mal vorkommen.Bei der Planung der Autobahn gab es seinerzeit zwar auch  Überlegungen, ob man diese südlich von Biel nicht durch das Grosse Moos  bauen solle. Doch auch diese Variante hätte ihre Nachteile gehabt.  Abgesehen von der Teilung der schönen Landschaft wäre die  Bewirtschaftung der Felder im «Gemüsegarten der Schweiz» stark erschwert  worden. Aber es ist müssig, über falsch gestellte Weichen in der  Vergangenheit zu lamentieren. Es ist, wie es ist, und nun muss das  Beste daraus gemacht werden.Bis dato ist lediglich Ligerz ein Stück von Lärm und Verkehr  geschützt: Seit genau 30 Jahren wird der Durchgangsverkehr über eine  unterirdische Umfahrung im Berg geführt, den Ligerztunnel. Nun soll auch  der Schienenverkehr unter die Erde verbannt werden, durch einen  Bahntunnel parallel zum Strassentunnel, der ebenfalls als Ligerztunnel  bezeichnet wird. Er soll Ende 2026 bereitstehen. Zudem soll der  Strassentunnel um etwa zwei Kilometer bis auf die Ostseite von Twann  verlängert werden. Diese Verlängerung ist der Twanntunnel. Er kann  frühestens 2035 in Betrieb genommen werden.Der Twanntunnel wird in der Gemeinde also nicht etwa allgemein  sehnlich erwartet, wie man angesichts der Immissionen meinen könnte. So  möchte das Komitee «N5 Bielersee – so nicht!», dass der Schutz der  Bevölkerung künftig im Rahmen einer regionalen Gesamtplanung statt  weiter in Form von – Zitat – «Flickwerk» erfolgt. Dieser Gedanke ist im  Zusammenhang mit dem Widerstand der Organisation «Westast – so nicht!»  entstanden, was man allein schon an der Ähnlichkeit der beiden  Bezeichnungen ablesen kann.Der Westast ist zwar inzwischen Geschichte. An der Vision einer  regionalen Planung hält das Komitee jedoch fest. So heisst es in der  Gemeindeinitiative: «Der Gemeinderat soll die einmalige Chance nutzen  und die Anliegen der Bewohnerinnen und Bewohner von Twann-Tüscherz  indie Planung von ‹Espace Biel-Bienne.Nidau› einbringen.» So nennt sich  die Organisation, die sich nach der Beerdigung des Projektes Westast  formiert hat, um Lösungen für Verkehrsproblemein Biel und Nidau zu  finden. Diese will Twann-Tüscherz gemäss dem Gemeinderat allerdings gar  nicht mit im Boot haben.Am liebsten wäre dem Gemeinderat ein Tunnel, der nicht allein Twann,  sondern auch Tüscherz-Alfermée und den dazwischen liegenden Weiler  Wingreis vom Zuglärm befreien würde. Aber das ist ihm zufolge  Zukunftsmusik. Für ihn muss es nun erst einmal darum gehen,  sicherzustellen, dass der Twanntunnel auch wirklich kommt. Denn dieser  bringe zumindest einem Teil der Gemeinde eine Entlastung. Die Exekutive  will die Gemeindeinitiative für ungültig erklären lassen, weil sie  rechtlich Unmögliches verlange, wie der Kanton bestätigt habe. Dies  gelte nicht nur für die Tunnelplanung, sondern auch für die Forderung  nach «maximal Tempo 60 von Biel bis zum Ligerztunnel» sowie «ein  Transitverbot für den Schwerverkehr auf der N5 zwischen Biel und La  Neuveville».Rechtlich mag der Gemeinderat ja recht haben. Aber reicht Rechthaben  vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Gemeinde gespalten ist, aus?  In Biel ist in einer ähnlich verfahrenen Situation die Dialoggruppe  Westast lanciert worden. Viele waren zunächst skeptisch, schliesslich  war bei der Projektierung alles korrekt vonstatten gegangen. Doch wie  sich dann gezeigt hat, war es goldrichtig, die verschiedenen  Interessengruppen so miteinander in Kontakt zu bringen. Ein solches  Gesprächsforum entspricht auch dem Geist der direkten Demokratie, auf  die wir Schweizerinnen und Schweizer so stolz sind. Nun ist es Zeit für  eine Dialoggruppe Twanntunnel!